Habetis Abbatem

Früher von der Kanzel, heute über Social Media – eine Archivsuche zur Abtwahl.

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Früher von der Kanzel, heute über Social Media – eine Archivsuche zur Abtwahl.

Heute & damals

Am 4. Mai wurde der 56. Abt von Stift Wilten gewählt. Seit fast 900 Jahren nun schon wird eine derartige Wahl zelebriert, natürlich im Geheimen, unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit. Anschließend wird die Wahl verkündet. Beim amtierenden Abt Leopold Baumberger wurde dies wie heute üblich über Presseaussendungen, Social Media etc. verkündet – doch wie lief das früher vonstatten?

Zun den Presseunterlagen
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Abt & Landeshauptmann

Das interessierte uns vom Stiftsarchiv natürlich brennend, weswegen wir uns auf die Suche gemacht haben – und wir wurden fündig: vermutlich zur Vorbereitung der Abtwahl vom Jahre 1877, wo letzten Endes Abt Franz Sales Blaas gewählt wurde, schrieb jemand genauestens auf, wie die Wahl ablaufen sollte, was zur Vorbereitung benötigt wird und wie die Tage nach der Wahl auszusehen haben.

Seine Heimat war Langtaufers im Vinschgau. Vor seiner Wahl war er in der Pfarrseelsorge tätig gewesen. Schon in seinem ersten Jahr als Abt ernannt ihn der Kaiser überraschend zum Landeshauptmann. Abt Blaas nahm aber dieses Amt nicht an. Während seiner Abtzeit erfolgte die Wiederherstellung der Ordernsverfassung für den Gesamtorden.

Franz Sales Blaas (1877 bis 1888)

„selbstverständlich kommt auf den Tisch […] der alte romanische Kelch zu stehen, in welchen die Stimmzettel […] eingelegt werden, ebenso ein Crucifix mit 2 brennenden, langen Wachskerzen, und ein Evangelienbuch, nebst etlichen Brevieren, aus welchen das Veni Creator abermals von dem Gremium laut recitirt werden soll“. [S.4, §7, ab Zeile 6]

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Tatsächlich wird auch heute noch jener „romanische Kelch“ als Wahlurne benutzt – die Rede ist vom berühmten Wiltener Kelch. Heutzutage wird jedoch die Replik verwendet, da sich das Original seit 1938 im Kunsthistorischen Museum Wien befindet.

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habetis Abbatem canonice electum

Nach der erfolgten Wahl dann wurde der Kandidat herbeigerufen und es wurde freudig verkündet: „habetis Abbatem canonice electum“„Deo gratias!“ war darauf die Antwort.

Das gesamte damalige Protokoll wurde genauestens festgelegt. Nach der erfolgten Wahl ging es in die Kirche, wo man auf der Kanzel den Gewählten offiziell verkündet – für die damalige Zeit war es die erste mediale Möglichkeit: der Ruf von der Kanzel. In der heutigen Zeit hingegen ist diese Kanzel durch das Internet, die Tagespresse und all die digitalen Möglichkeiten ersetzt worden. Das erwähnte „Formular der Verkündigung“ wurde zur Presseaussendung. Doch damals wie heute läuten „auf ein gegebenes Signal alle Glocken“!

Und wie wie ging es anschließend weiter?

Nach der Proklamation auf der Kanzel macht „der Chor oben 3fachen Tusch mit Trompeten und Pauken; die Pöller geben abermal eine große Salve […], intoniert das feierliche Te Deum; der Neoelectus (Neuerwählte, Anm.)) hat sich auf den Teppich der untersten Altarstufe niederzulegen […] Weiters geschieht die Inthronisation […] am Hochaltare, indem die Capitularen (Chorherren, Anm.) – dem Alter nach – hinzuschreiten, wo der neue Abt auf seinem Sessel sitzt, […] jeder Capitular küsst sofort den Ring des Prälaten und empfängt dann den einfachen Pax-Kuss. […] [S.7, 1.Zeile ff.]

Auch heute schwören die Chorherren anschließend Gehorsam dem neuen Abt gegenüber. Da es in Fall von Abt Leopold einen Dispens aus Rom benötigte, wird dieser Schritt später, kurz vor der Benediktion am 4.Juni, nachgeholt. Ob dann auch „Trompeten und Pauken“ zu hören sind werden wir sehen!

Über den Autor

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Mag. Miriam Trojer

Miriam Trojer leitet seit Oktober 2021 das Stiftsarchiv und die Stiftsbibliothek. Die gelernte Archivarin und Historikerin aus Südtirol arbeitet schon seit fast 10 Jahren im Bereich der Ordensarchive, ist Vorsitzende der diözesanen Archivkommission und im Vorstand der Ordensarchive Österreichs.

Sie sieht ihre neue Arbeit als eine große Herausforderung und Ehre an – fast 900 Jahre Geschichte können wir im Stiftsarchiv finden. Wichtig ist, dass diese Tradition auch weiterhin fortgeführt wird. Das Stiftsarchiv spiegelt in den Archivalien die Arbeit, das Charisma und  das Postulat der Prämonstratenser der Vergangenheit aber auch der Zukunft wider.

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