Wo Himmel und Erde sich berühren

Christkind in der Stiftskirche Wilten

Eine freudige Geheimnistuerei verbirgt sich hinter Türen und Fenstern, himmlische Düfte wecken Kindheitserinnerungen, kleine süße Köstlichkeiten erfreuen unseren Gaumen, eine liebliche Idylle von ausgiebigen Krippenlandschaften wird mit großem Eifer inszeniert, die Häuser und Wohnungen festlich geschmückt, zarte Fäden von Weihrauch hängen in der Luft, engelsgleiche Musik und heimelige Klänge ertönen in allen Winkeln, und lichtvolle Gottesdienste bringen die wachsende Vorfreude zum Ausdruck – das ist Weihnachten. Oder besser gesagt: die Illusion, die wir Menschen uns von Weihnachten geschaffen haben. Der spätmittelalterliche Mystiker und Theologe Meister Eckhart formuliert einmal: „Wer Gott beim Stallausmisten nicht hat, der hat ihn auch nicht beim Chorgebet!“ und holt uns damit zurück auf den nüchternen Boden der Realität.

Die Menschwerdung Gottes im Stall von Bethlehem bei Ochs und Esel auf Heu und Stroh ist alles andere als eine liebliche Angelegenheit und doch ist sie Ausdruck größtmöglicher Liebe zu uns Menschen. Gott begibt sich mitten in unsere – egal wie abgründige – Lebenssituation, um uns nahe zu sein.

Für uns Christen ist das eine klare Ansage: Wer Gott begegnen will, darf ihn nicht nur in weihrauchgeschwängerter Luft bei feierlichem Gebet suchen, sondern muss sich vor allem aufmachen in die Niederungen des Lebens – dort wo Menschen die volle Härte dieser Welt erfahren. Wir müssen uns im wahrsten Sinn des Wortes die Hände schmutzig machen, um wie ER bei den Menschen und damit wiederum bei IHM zu sein. Es ist notwendig „an die Ränder zu gehen“, wozu uns auch Papst Franziskus regelmäßig ermuntert.

Am Christkönigssonntag hat unsere Klostergemeinschaft erneut Zuwachs bekommen. Julian Prast wurde im Rahmen der Vesper eingekleidet. Üblicherweise erhält der Kandidat einen neuen Namen, um auszudrücken, dass etwas Neues in seinem Leben beginnt. Bei uns in Wilten kann man im Vorfeld hierzu Wünsche äußern. Bemerkenswert war die Begründung für Julians Wunsch fortan den Namen Severin tragen zu dürfen. Ihn faszinierte am Hl. Severin von Noricum (+ 482), dass er in unsicheren und turbulenten Zeiten bei den Menschen geblieben war, sie unterstützt und ihnen Hoffnung vermittelt hat.

Wir leben ebenso wie der Hl. Severin und seine Zeitgenossen in einer Welt mit rasanten Veränderungen und Umbrüchen, leiden in Gesellschaft und Kirche unter großer Unsicherheit und tragen so manche Sorge um die Zukunft in uns. Bewährte Strukturen brechen zusammen, ein klarer Horizont ist oft nicht in Sicht. Wenn es aber junge Menschen gibt, die in diesem oft lauten Durcheinander, den leisen Ruf Gottes in die Nachfolge vernehmen, den ersten Schritt wagen, sich auf den Weg machen und dann noch im Herzen den Wunsch tragen, den Menschen nahe zu sein und sie nicht allein zu lassen, dann erfüllt mich das mit Freude und Zuversicht.

Im vergangenen Jahr durften wir Frater Friedrich einkleiden, der mit dem Namen seine Sehnsucht nach Frieden zum Ausdruck gebracht hat. Er ist seinen Weg der Nachfolge inzwischen weiter gegangen und geht Schritt für Schritt auf die Zeitliche Profess zu, um seine eigene Entscheidung zu vertiefen und zu festigen.

Unsere beiden Jüngsten geben uns durch ihr Dasein intuitiv ein besseres Verständnis von Weihnachten: Gott ist in die Welt gekommen, um den Menschen in den konkreten Herausforderungen ihrer Lebensrealität beizustehen und damit macht sich Frieden breit in unseren Herzen und in der Welt. 

Möge es uns allen gelingen, mit einem solchen Bewusstsein das Geburtsfest Jesu zu begehen. Wenn wir mit beiden Beinen am Boden bleiben und dort, wo es nötig ist, mit anpacken, dann werden wir feststellen, dass Gott uns gerade beim Stallausmisten besonders nahe ist und umso fröhlicher werden wir mit den Chören der Engel auf den Feldern von Bethlehemeinstimmen können in den Lobgesang: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens!“

Dann ist Weihnachten, genau dort wo Himmel und Erde sich berühren.

 

 Mit den besten Segenswünschen

 + Leopold

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Einkleidung: fr. Severin Prast