Geschichte
Die wechselvolle Geschichte des Stiftes Wilten geht bis in die Spätantike zurück. An der Stelle des römischen Kastells Veldidena befindet sich heute das Kloster Wilten. Um das Jahr 1128 besiedelten die ersten Prämonstratenser das Stift.
Die Stiftsgeschichte.
Prämonstratenser - seit 1138.
Die Geschichte des Klosters geht bis in die Römerzeit zurück. Denn an der Stelle der heutigen Klosteranlage befand sich zur römischen Zeit das Kastell Veldidena. Rund um das Jahr 880 soll der Riese Haymon laut mehreren Volkssagen das Kloster erbaut haben und selbst eingetreten sein.
Das 1138 von Papst Innozenz II. bestätigte Prämonstratenserstift erlebte im 17. und 18. Jahrhundert seine Blütezeit. Im Laufe der Geschichte wurde das Kloster zweimal aufgehoben.
Miriam Trojer, Leitung Archiv, Bibliothek & Kunst
„Stift Wilten: Ein Ort, wo Geschichte lebendig wird!“
Der Gründer: Riese Haymon
Die Sage berichtet, dass ein Riese namens Haymon nach einem Kampf mit dem einheimischen Riesen Tyrsus zur Sühne ein Kloster erbaut habe (um 878).
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Wilten, einst als Veldidena bekannt, spielte in der Römerzeit eine zentrale Rolle als strategisches und logistisches Zentrum. Im heutigen Nordtirol, damals Teil der römischen Provinz Rätien, sorgten eine Straßenstation und ein befestigtes Lager für die Sicherung wichtiger Handels- und Militärwege. Der Name Veldidena, vermutlich vorrömischen Ursprungs, bezieht sich auf den Standort, von dem aus das Unterinntal und der Seefelder Sattel zugänglich waren.
Das Kastell und seine Bedeutung
Ende des 3. Jahrhunderts errichteten die Römer ein mächtiges Kastell, um sich gegen die germanischen Einfälle zu schützen. Es lag nördlich des heutigen Stiftes Wilten und bestand aus dicken Mauern, vier Ecktürmen und einem rechteckigen Grundriss. Die umliegenden Siedlungen, wie Funde aus Hötting belegen, profitierten wirtschaftlich von der Militärstation. Der Siedlungsbereich beschränkte sich jedoch auf den Raum um das heutige Stift und die Basilika.Von Kultstätte zur Kirche
Schon vor der Christianisierung könnte Veldidena eine Kultstätte beherbergt haben, möglicherweise zur Verehrung des Lichtgottes Mithras. Mit der Ausbreitung des Christentums errichteten die Römer eine Kirche, die dem heiligen Laurentius geweiht war. Unter der heutigen Basilika fanden Archäologen Überreste einer Kirche aus dem 5. Jahrhundert. Diese könnte sowohl als Bischofs- als auch Gemeindekirche gedient haben, wobei genaue historische Belege fehlen. Der Übergang von der römischen Militärstation zu einem christlich geprägten Ort markiert den Wandel, der Wilten zu einem spirituellen Zentrum werden ließ. -
„Seine Grabstätte ist 13 Fuss lang, mit einem 2 Fuss langen Stück reicht sie unter die Mauer, 11 Fuss liegen frei“
Diese Beschreibung aus dem 13. Jahrhundert ist der erste Hinweis auf den Riesen Haymon. Die Vorstellung, dass Haymon ein Riese ist, kommt von der Dimension seines Grabes (ca. 4 Meter – 13 Fuss).
In den nächsten drei Jahrhunderten verschmolz diese Beschreibung des Grabes mit den zwei weitverbreiteten Lokalsagen. Die Stelle des Grabes lässt auf eine wichtige Persönlichkeit schließen und so nahm man an, der RieseHaymon wäre der Gründer des Klosters.
Die Sage über den Riesen Haymon
„Als Tag und Jahr verloffen war Achthundert schon verstrichen Zu siebzig acht hats auch schon gmacht Da Haymon Tods verblichen. Der tapfre Held hat sich erwählt Ein Kloster aufzuführen: Gob alls hinein ging selbst auch drein Wolts doch nicht selbst regieren Hat löblich glebt, nach Tugend gstrebt Ein Spiegel war Er allen Riß hin, Riß her, ist nicht mehr Er ins Grab ist Er hier gfallen.“
Der Riese Haymon
Der Riese Haymon dürfte ein bayerischer Adeliger und Gefolgsmann des Herzogs Tassilo gewesen sein. Seine Spuren könnten aufgrund der Absetzung des Herzogs bewusst verwischt worden sein. Das Volk gestaltete eine Sage, um so die geschichtlichen Lücken der Anfänge des Klosters zu schließen. Der Legende nach soll er über den Zirlerberg in das Inntal gewandert sein. Er geriet in Streit mit dem einheimischen Riesen Thyrsus und erschlug diesen mit dem Schwert. Als Wiedergutmachung soll Haymon selbst ein Kloster bei der alten Laurentiuskirche erbaut haben. Ein Drache, der die Sillschlucht behauste, zerstörte das Bauwerk immer wieder, bis Haymon ihn tötete und ihm die Zunge herausriss. Die Drachenzunge befindet sich heute im Stiftsmuseum.
Prämonstratenser
Ein kleiner Konvent gemeinsam lebender Kleriker scheint schon in früher Zeit die Seelsorge der Umgebung ausgeübt, zumindest die Pfründen innegehabt zu haben. Dieses sogenannte Kollegiatstift wurde durch den Brixener Bischof Reginbert 1128 dem erst kurz vorher (1121) durch den hl. Norbert von Xanten gegründeten Prämonstratenserorden übertragen. Die ersten Chorherren kamen unter der Führung des Propstes Marquard aus dem schwäbischen Kloster Rot an der Rot.
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Da der hl. Norbert dreimal nach Rom reiste, ist es nicht unwahrscheinlich, dass er jedes Mal nach Wilten kam. Als auf der Synode von Lüttich alle Erzbischöfe und Bischöfe Deutschlands erscheinen mussten, ist es nicht ausgeschlossen, dass der heilige Norbert mit Bischof Reginbert von Brixen bekannt wurde. Dort dürften sie die Übergabe des Collegium Wiltinense besprochen haben.
Die persönliche Anwesenheit des hl. Norbert ist alte Stiftstradition. Auf dem Ölgemälde sieht man die Übergabe des Wiltener Klosters von Bischof Reginbert an den hl. Norbert. Dieses Gemälde stammt vom Kunstmaler Franz Stainer.
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Marquardus I. stammte aus Pruntrut in der heutigen Schweiz und war Schüler des heiligen Norbert. Von diesem wurde er nach der Tradition im Jahr 1128 nach Wilten geschickt, um ein bestehendes Kloster zu übernehmen.
Marquard führte den Titel Propst. Erst zwischen 1250 – 1260 nahm man den Titel Abt an. Am 30. April 1138 bestätigte Papst Innozenz II. dem ersten Klostervorsteher Marquard und allen seinen Nachfolgern die Rechte und Besitzungen des neuen Klosters zu Wilten.
Marquard starb am 6. Mai 1142. Er wurde als Seliger verehrt, seine Gebeine ruhen seit 1667 in einem Schrein hinter dem Hochaltar der Stiftskirche.
Abschrift erhaltener Verse von Marquards Grab, "Marquard, der tatkräftig und fleißig war"
„Marquardus non viribus opere tardus“
Seit 1138
Papst Innozenz II. bestätigt auf Bitte des Propstes Marquard im Jahr 1138 den in Wilten eingerichteten Kanonikerorden.
Den gegenwärtigen und zukünftigen Besitzstand zu schmälern, verbietet er unter Androhung kirchlicher Strafen, befreit das Klostervermögen von allen Abgaben, gewährt freie Propstwahl, Begräbnisrecht (für Wohltäter) und die Freiheit, Weihen von Altären und Kirchen sowie Ordinationen von Klerikern unbeschadet der Rechte des Diözesanbischofs in besonderen Fällen von jedem beliebigen Bischof vornehmen zu lassen.
Zerstörung im 2. Weltkrieg
Die vielen Aufbrüche der ersten Nachkriegszeit, vor allem in der Jugendseelsorge, fanden ein jähes Ende im Nationalsozialismus. 1939 wurde Abt Schuler gezwungen, das Stift zu verkaufen.
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Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1938 begann eine schwierige und bedrohliche Phase für das Stift Wilten. Bereits 1939 wurde Abt Schuler gezwungen, eine “Verkaufsurkunde” zu unterzeichnen, die die Stiftsgebäude und den gesamten Grundbesitz an den Gau übertrug. Der Abt und die Konventualen mussten auf die Pfarrhöfe der inkorporierten Pfarreien ausweichen. Die Stiftskirche wurde geschlossen und das Hauptgebäude vom Arbeitsdienst genutzt. Währenddessen wurden viele Mitbrüder in ihrer Arbeit behindert, einige sogar verhaftet oder aus dem Gau verwiesen. Mitbruder Gereon starb im Konzentrationslager Dachau.
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Die Bombenangriffe der Jahre 1943 und 1944 richteten erhebliche Schäden am Stift an. Am 13. Juni 1944 wurde die Stiftskirche nahezu zerstört. Der geplante Abriss des unversehrten Kirchturms hätte die Kirche endgültig in Schutt und Asche gelegt, doch dank des beherzten Eingreifens von Dr. Johanna Gritsch, der Assistentin des Landeskonservators, konnte dies im letzten Moment verhindert werden. Währenddessen blieb die Gemeinschaft des Stiftes stark. Der Abt hielt seine Mitbrüder zusammen, trotz der Verstreuung und der äußeren Widrigkeiten. In Brasilien fanden einige Mitglieder des Stiftes eine vorübergehende Wirkungsstätte, während andere weiterhin für die Bewahrung des Stiftsgeistes kämpften.
D. Siard Wimmer, Mitbruder während der NS-Zeit
„Ob das alte Veldidena in der langen Zeit der Völkerwanderung schlimmer verheert wurde als das moderne Wilten unter der kurzen Ära Adolf Hitlers, läßt sich füglich bezweifeln!“
“Kaufvertrag”
In der Bartholomäusnacht 1939 ging ein Geflüster durch die Zellen der noch wachen Mitbrüder:
Das Stift ist aufgehoben, morgen heißt es wandern!
Am frühen Morgen wussten es bereits alle. Am 26. August 1939 wurde der gesamte Besitz des Stiftes Wilten durch den Gauleiter Hofer in die Gauselbstverwaltung überführt und grundbücherlich übereignet. Nach der Bombardierung besichtigte der Gauleiter das Stift und gab den Befehl, den Turm zu sprengen. Es waren schon Sprenglöcher gebohrt, da setzte sich das Denkmalamt energisch zur Wehr. Frau Dr. Gritsch mobilisierte alle maßgeblichen Persönlichkeiten zur Verhinderung der Zerstörung des Klosters.
Tritt ein!
Die Wiltener Stiftskirche ist nicht nur einer der kulturgeschichtlich bedeutendsten Sakralbauten Tirols, sie gehört wegen ihrer wertvollen künstlerischen Ausstattung zu den wichtigsten Baudenkmälern des Landes.